Michael Hüter, 2013 (Quelle: https://www.lehrer-online.de/artikel/fa/cartoon-der-woche-demokratie-in-der-schule/ 

Aufgabe: Interpretieren Sie die Karikatur nach dem Ihnen bekannten Modell.  

Die Karikatur von Michael Hüter aus dem Jahr 2013 kritisiert die oftmals theoretische Auseinandersetzung mit den Themen der politischen Bildung in der Schule und weist so darauf hin, dass die Schüler*innen auf diese Weise keinen Anreiz entwickeln können, sich aktiv als Bürger*innen politisch zu engagieren.  

Die Karikatur zeigt einen Lehrer, der der Klasse gelangweilt die Hausaufgabe für die nächste Stunde vorliest. Die Schüler*innen sollen die „Staatsform Demokratie“ auswendig lernen. Die Lerngruppe reagiert genervt und verständnislos auf diese Aufgabe und die Bildunterschrift „Demokratie in der Schule: notwendiger Lernstoff oder praktizierte Leidenschaft?!“ unterstützt die Aussage der Karikatur, dass es dem Politikunterricht im Allgemeinen an Leidenschaft und Praxisnähe zu mangeln scheint.  

Der Ruf nach mehr oder besserer oder überhaupt nach politischer Bildung ist in den letzten Jahren immer lauter geworden, auch wenn manche der Rufenden sich offenbar nicht bewusst sind, dass mehr politische Bildung auch zu mehr politisch gebildeten jungen Menschen führen kann, die dann emanzipiert und mündig als Wähler*innen auftreten können. Doch die Forderung nach mehr Bildung in diesem Bereich kommt nicht nur aus der Ecke der Didaktiker* und Schulforscher*innen, sondern ist spätestens seit der Fridays for Future-Bewegung eine Forderung der Jugendlichen selbst, die nur darin eine echte Chance sehen, sich politisch und gesellschaftlich Gehör zu verschaffen, in dem sie verstehen, welche Möglichkeiten der Teilhabe ihnen zur Verfügung stehen.  

Während politische Bildung, also die Erziehung zu mündigen Bürger*innen im Sinne Kants eine Aufgabe ist, die allen Fächer am Gymnasium zukommt, hat das Fach Politik und Gesellschaft dabei eine besondere Stellung. Ab der 10. Jahrgangsstufe ergänzt es den Fächerkanon und widmet sich zunächst den Grundlagen unseres gesellschaftlichen und politischen Zusammenlebens, was nicht ganz ohne Auswendiglernen gelingen kann, denn der Aufbau der „Staatsform Demokratie“ in ihren verschiedenen Varianten muss für eine gehaltvolle und produktive Auseinandersetzung mit Vor- und Nachteilen, Chancen und Risiken erst einmal verinnerlicht werden.  

Ist dies gelungen, widmet sich der Unterricht durch anregende methodische Vielfalt wie Podiumsdiskussion, Debatte oder Arbeit mit Portfolios dem eigentlichen Kern der Aufgabe: Ausgang aus der (bis dahin nicht selbstverschuldeten) Unmündigkeit durch unermüdliche Betrachtung und argumentative Untersuchung politischer Praxis und gesellschaftlicher Realität. Dabei stehen die Schüler*innen mit ihren persönlichen Meinungen und Haltungen, die durch Einübung demokratischer Diskussionsformen zu Argumenten geformt werden, in jeder Stunde wieder neu im Mittelpunkt. Ihre Ansichten und Überzeugungen sind dabei ebenso wichtig für das Gelingen „praktizierter Leidenschaft“ wie die inhaltlichen Grundlagen.  

Michael Hüter kritisiert in seiner Karikatur, dass der Politikunterricht in der Realität nur aus Theorie bestehe, und dies dazu führe, dass die Schüler*innen alles, was damit zu tun hat, langweilig finden oder sogar als unnötig, da nervig, ablehnen, wie die Einlassung „Müssen wir dann auch noch ‘nen Klassensprecher wählen?!“ zeigt.  

Während die 10. Jahrgansstufe die Jugendlichen aufgrund der Stofffülle und der theoretischen Grundlagen bisweilen stark fordert, bietet der Lehrplan ab der 11. Jahrgangsstufe viele spannende Anlässe sich mit der eigenen Gegenwart zu beschäftigen, was vor allem das ausführliche Kapitel „Medien und Demokratie“ zeigt. Welche Chancen und Risiken bietet zum Beispiel die digitale Öffentlichkeit für die politische Teilhabe aller Bürger*innen? Diese Frage betrifft die Schüler*innen in ihrem täglichen Erleben, sind sie doch als digital natives in den sozialen Netzwerken zu Hause.  

Der Lehrplan in den Jahrgangsstufen 12 und 13 widmet sich dann im Detail allen Fragen der Organisation unseres Zusammenlebens, in Deutschland und weltweit, und befähigt die jungen Erwachsenen, im politischen Diskurs geschult, nach Ende ihrer Schulzeit als mündige Bürger*innen die Demokratie aktiv zu bereichern.  

Abschließend lässt sich also festhalten, dass der Karikaturist Hüter in seiner Einschätzung, dass theoretischer „Demokratieunterricht“ keinen Mehrwert in der politischen Bildung, ja sogar negative Folgen haben kann, Recht hat.  

Deshalb engagiert sich die Schulfamilie am WSG leidenschaftlich dafür, „gelebte Praxis“ zu schaffen, sei es durch Aktionen der Fachschaft wie die Durchführung der Juniorwahl, den AK Politik der SMV* oder in schulweiten Projekten des Forum N zum Thema Demokratie und den SDGs (Sustainable Development Goals). Der whole school approach, also das Einbeziehen der gesamten Schulfamilie bestehend aus Kollegium, Schülerschaft und Elternbeirat bei der Gestaltung des Schullebens, ermöglicht die (schul-) politische Teilhabe aller und übt demokratische Strukturen ein.  

„Theorie und praxisnahe Anwendung“ an diesem Leitmotiv orientiert sich der Unterricht in Politik und Gesellschaft am WSG.  

*Der AK Politik trifft sich immer freitags nach der Schule im SMV-Zimmer.  

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