Lingua Latina, cui bono?
Das Imperium Romanum als wesentliche Grundlage europäischer Kultur
Gemäß der Legende wird Rom im achten Jahrhundert gegründet ("753 Rom schlüpft aus dem Ei") und wird zur Hauptstadt eines Weltreiches, das für einige Jahrhunderte Süd- und Mitteleuropa und viele Gegenden rund um das Mittelmeer beherrscht.
Übernahme und Weitergabe griechischer Kultur und Wissenschaft
Die antike griechische Kultur gehört zweifellos zu den Wurzeln Europas. Es gab für die Römer viele Berührungspunkte mit der Welt der antiken Griechen, u. a. durch die zahlreichen griechischen Kolonien in Sizilien und Süditalien, später nach der Eroberung Griechenlands auch durch griechische Sklaven.
Die Ursprünge des Theaters, der Literatur, der Musik, der politischen Theorie, der Philosophie, aber auch vieles aus der Mathematik, aus den Naturwissenschaften und nicht zuletzt aus dem sportlichen Bereich gehen auf die Griechen zurück.
Die Erkenntnisse und Errungenschaften werden von den Römern übernommen und mit ihrer eigenen Kultur, die auch von den Etruskern ( ? Toskana) mitgeprägt wurde, verschmolzen.
Mythologie
Namen, Ereignisse aus den antiken Mythen wurden zu einem zeitlosen Gerüst nicht nur für Europa. Als Beleg können neben vielem anderen aus dem Bereich der Astronomie Namen für Sterne und Planeten, daneben ebenso Bezeichnungen für Monate, Wochentage, aber auch grundlegende Ereignisse wie der Trojanische Krieg, Begriffe wie Odyssee, Sisyphusarbeit angeführt werden. Antike Themen, Stoffe und Themen werden immer wieder in der Kunst, in Filmen etc. aufgegriffen.
Spuren römischer Zivilisation
Die technologische und militärische Überlegenheit der Römer führt dazu, dass lateinische Bezeichnungen als Lehnwörter in viele europäische Sprachen übernommen werden, z.B. im Deutschen Straße (stratum), Fenster (fenestra), Mauer (murus). Die Zeugnisse der antiken und insbesondere der römischen Bautechnik gelten nach wie vor als touristische Anziehungspunkte. Aber auch Kulinarisches findet den Weg in die Gärten, Kochtöpfe der Provinzen und somit in die europäischen Sprachen, im Deutschen beispielsweise Senf (senapis), Kohl (caulis), Rettich oder "Radi" (radix) und die Römer brachten auch den Anbau von Wein (vinum) in unsere Breiten. Weite Gebiete des heutigen Bayerns waren ab 15 v. Chr. für vier Jahrhunderte von den Römern besetzt, die Überreste des römischen Grenzwalls, des Limes, wurden 2005 zum Weltkulturerbe erklärt. Viele Städte, auch in Deutschland, waren ursprünglich römische Militärlager, z.B. Köln (colonia), in Bayern, z.B. Regensburg (Castra Regina), Augsburg (Augusta Vindelicorum), Passau (Batavis).
Christliche Glaubenskultur
Mit den Römern kam auch die christliche Religion zum ersten Mal über die Alpen. Griechisch und Latein verschmelzen sich mit den hebräischen Ursprüngen und bilden die Grundlagen der christlichen Tradition. Als Beispiele könnte man Kreuz (crux), Mönch (monachus), Ministrant (minister) anführen. Auch viele der bei uns üblichen Vornamen belegen diese Zusammenhänge, z.B. Marcus, Martina, Johannes, Andrea. Verlautbarungen der katholischen Kirche werden lateinisch verfasst und Rom stellt heute immer noch die Hauptstadt des Christentums dar.
Wissenschaftssprache
Teilweise bis zum 17. Jahrhundert war Latein die grundlegende Sprache der Wissenschaften und der Universität. Dies erklärt u.a., dass sich die Fachbegriffe aus vielen unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen sich zu ca. 75% auf griechische oder lateinische Ursprünge zurückführen lassen, wie ein Blick in Lexika oder diverse Fachbücher zeigt.
Zitate
Lateinische Zitate und Sentenzen, wie z.B. in medias res / veni, vidi, vici / panem et circenses / mens sana in corpore sano sind zeitlos und werden immer wieder verwendet.
Basissprache Europas
Aus den verschiedenen Ausprägungen des Lateinischen entwickelten sich die Nationalsprachen als eigene Sprachen und somit wurde Latein zur Quelle und Mutter der romanischen Sprachen. Französisch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch, Rumänisch gehen direkt auf das Lateinische zurück, in der Weltsprache Englisch lassen sich fast 60 % des Vokabulars auf lateinische Wörter zurückführen. Lateinschüler erwerben sich entscheidende Grundlagen, mit denen sich Wörter und Begriffe leicht ableiten lassen und sich vor allem romanische Sprachen leicht erlernen lassen.
Latein an der Schule heute
In den ersten drei Jahren werden die Grundlagen in Wortschatz und Grammatik zur Übersetzung aus dem Lateinischen gelegt. Selbstverständlich werden dabei auch inhaltliche, kulturelle Aspekte behandelt und bei den Schulaufgaben mit einbezogen. Am Werner-von-Siemens Gymnasium und an der Orientierungsstufe arbeiten wir mit dem Lehrwerk Campus.
Wortschatz / Wortbildung
Das Baukasten - Prinzip vieler aus dem Lateinischen kommenden Begriffe wird zu einem wesentlichen Bestandteil, z.B. Extraktion, Prävention, Rezession. Bezüge zum Wortschatz anderer Sprachen werden hergestellt. Die Aussprache bereitet keine Probleme.
Grammatik
Im Lateinunterricht wird das System Sprache von Grund auf gelernt, man reflektiert Sprache an und mit der lateinischen Sprache. Dies hat positive Auswirkung auf die Sprachkompetenz im Deutschen und erleichtert das Erlernen anderer Sprachen.
Übersetzung
Da das Lateinische mit wesentlich weniger Worten als die deutsche oder englische Sprache auskommt und die Formen bei den einzelnen Wortarten sehr kompakt gebildet werden, wird die Übersetzung zu einer geistig anspruchsvollen Leistung. Dabei werden u.a. Lern - und Arbeitstechniken, wie genaue Beobachtungsgabe und Unterscheidungsvermögen, analytisches Vorgehen, Abwägen von Lösungen, sprachliche Kreativität gefördert. Gerade deshalb plädieren auch viele Naturwissenschaftler für das Erlernen der lateinischen Sprache.
Lektürephase
In dieser Phase erhalten die Schüler einen Einblick in grundlegende Werke der römischen Literatur.
Werke der Weltliteratur
In der Lektürephase werden u.a. Werke von Caesar, Cicero, Ovid im Original gelesen. Im Vordergrund steht die Übersetzung, Interpretation und die Beschäftigung mit den Inhalten. Es wird dabei ein breites Spektrum von Politik, Geschichte, existentiellen Grundfragen, Mythologie, aber auch Spott und Satire abgedeckt. Die Werke prägten dabei nachhaltig spätere Epochen und somit können immer Bezüge zu unserer Zeit hergestellt werden.
Voraussetzungen bei Schülerinnen und Schülern
- Selbstverständlich darf keine grundsätzliche Abneigung bestehen.
- Die Deutsch -, bzw. Englischnoten geben einen gewissen Aufschluss über die Eignung.
- Die Eltern müssen nicht über Lateinkenntnisse verfügen.
- Deutsch muss nicht Muttersprache sein.
- Als wichtigste Voraussetzung gilt die Arbeitshaltung, d.h. die Bereitschaft zum konsequenten und regelmäßigen Lernen.
Praktische Überlegungen
Offenhalten der Wege
Mit der Wahl des Faches Latein legt man sich nicht sofort auf den mathematisch - technologisch ausgerichteten Zweig fest.
Latinum
Das Latinum erwirbt man im Normalfall nach 5 Jahre Lateinunterricht mit einer Bewertung von mindestens "ausreichend" im letzten Jahreszeugnis. Viele Studienfächer, wie z.B. Deutsch, Geschichte, moderne Fremdsprachen verlangen das Latinum. Lateinkenntnisse sind in Fächern wie Jura, Biologie und Medizin von großem Vorteil.
Resümee
Der Lateinunterricht fördert die Sprachkompetenz im Deutschen und erleichtert den Zugang zu anderen Sprachen. Es werden dabei wichtige Lern- und Arbeitstechniken geschult. Im Lateinunterricht erwirbt man entscheidende Grundlagen für das Studium und die Allgemeinbildung.